JANA GUNSTHEIMER
12/03/–30/04/2011

 

Jana Gunstheimer hat das Jahr 2010 als Stipendiatin der Deutschen Akademie Villa Massimo in Rom verbracht. In der aktuellen Ausstellung sind Werke ausgestellt, die überwiegend in Rom entstanden sind. Wie in früheren Werkgruppen ist ein Spezifikum des Ortes Ausgangspunkt und Anlass für Zeichnungen, Objekte und Enviroments. In Rom ist es die Historie und Omnipräsenz der katholischen Kirche und die Nachbarschaft zum Vatikanstaat. Der lebendige Wunderglaube, der sich dort allerorts in eindrucksvollen Gedenkstätten voller Bilder und Skulpturen manifestiert, sowie die Vielzahl ebenso fantastischer wie absonderlicher Geschichten, die über die Jahrhunderte von der Kirche gesammelt und verbreitet wurden, bieten der Künstlerin einen reichen Fundus. Aufgrund ihrer Nachvollziehbarkeit und Glaubwürdigkeit spielen Gunstheimers Arbeiten stets mit möglichen Realitäten, Dokumentarisches mischt sich mit Halbwahrem und Erfundenem.

Einige Werke der umfangreichen Doppelausstellung (Conrads und Philara e.V.) sollen hier stellvertretend erwähnt sein.

“Eiskaltes Licht”, eine Serie von zehn Zeichnungen dokumentiert unerklärliche Erscheinungen in verschiedenen Kirchen Roms, die Ende der Neunziger Jahre dort vermehrt auftraten und in einer eigens dafür eingerichteten Stelle gesammelt wurden. Die übersinnlichen Wahrnehmungen werden in der Bildlegende unterhalb der Motivs, das den Ort des Geschehens darstellt, in knappen anschaulichen Worten beschrieben.

“In meinem Haus” ist der Titel einer monumentalen Zeichnung (265 x 210 cm), die segmentiert in 90 DinA4-Blatt große Elemente ein an der Wand ausgebreitetes Tuch darstellt. In dem oben beschriebenen Kontext darf man annehmen, dass es sich um eine Reminiszenz an eine der berühmtesten Reliquien der katholischen Kirche handelt, um das Schweisstuch der Veronika. Allerdings lenkt unterhalb des besagten Tuches auf Normhöhe eine Doppelsteckdose, die eher Rückschlüsse auf die profanen Tätigkeiten des Alltags zuläßt, von der kontemplativen Betrachtung ab.

Die raumfüllende Installation “Licht, Feld, Störung” besteht aus bedrohlich aussehenden schwarzen Druckern, die massenhaft christliche Motive ausstoßen und von gleißendem Licht beleuchtet werden. In deren Zentrum steht ein Mischpult, das der Steuerung all dieser obskuren Apparate dient, jedoch verwaist ist.

Sowohl die Berichte von Wundern, die im Laufe der Geschichte zu Wahrheiten mutierten, wie auch die wundertätige Kraft der Reliquien, die Pilgerströme anlocken sollten, sind seit der Frühzeit des Christentums effiziente Werbestrategien der katholischen Kirche. Überraschend ist, dass sich daran auch in aufgeklärten Zeiten nicht viel geändert hat.

Unter dem Titel “Das stille Volk” gibt es in der Ausstellung außerdem eine Reihe von Zeichnungen und Bildern von zwei Priestern, die einen Boxkampf als Kampf des Glaubens austragen, den die Künstlerin in der Villa Massimo 2010 organisiert hat.

Gunstheimers konzeptueller Ansatz, der in der nahtlosen Verschränkung von Dokumentarischem und Erfundenem besteht, beleuchtet anschaulich und hintergründig gesellschaftliche Themen von beträchtlicher Sprengkraft.

“Zwei Männer in Betrachtung einer abstrakten Skulptur” ist 2011 nach der Rückkehr aus Rom in Jena entstanden und besteht aus zwei präparierten schwarzen Füchsen, die mit einem Cape bekleidet auf Stapel von ebenfalls schwarzen Büchern steigen, um eine auf einer rustikalen Holzbank errichtete abstrakte Kleinskulptur besser betrachten zu können. An der dahinter befindlichen Wand ist eine graue Vertäfelung in Form einer Tür angebracht, die jedoch nach menschlichen Maßstäben zu klein geraten ist und auch keine Klinke besitzt. Oder sind die Füchse hier Maßstab und Nutzer? Der Titel des Werks, die an eine zerfetzte Takelage alter Segelschiffe gemahnende Skulptur und die Bekleidung der Füchse, deren altdeutsch anmutenden kurzen Umhänge, verweisen auf ein berühmtes Vorbild, Caspar David Friedrichs “Zwei Männer in Betrachtung des Mondes” (1819). Dieses Bild, das die Idee der Romantik in eine biedermeierliche Gemütlichkeit überführt, regte Jana Gunstheimer zu einer tiefsinnigen und humorvollen Aussage über die sich selbst bespiegelnden abstrakten Tedenzen der Gegenwartskunst an.

Der zweite Teil der Ausstellung unter dem Titel “Black Flash” ist bis zum 17. April 2011 im Kunstraum PHILARA e.V., Walzwerkstr. 14, 40599 Düsseldorf zu sehen.

www.philara.de

error: Content is protected !!