BRIGITTE WALDACH
01/03/–27/4/2013

 

Die Werke von Brigitte Waldach sind karg: Ein angedeuteter Raum und vielleicht einige wenige Requisiten bilden die Bühne für ihre Figuren. Seit 2002 ist Rot die vorherrschende Farbe ihrer Zeichnungen, die den Großteil ihres Oeuvres ausmachen, wie auch ihrer Fotografien und Installationen. Das Medium der Zeichnung kommt ihrem Streben nach formaler Reduktion besonders entgegen. „Ich bin jemand, der eigentlich gerne Minimalist geworden wäre,“ sagt die Künstlerin über sich selbst. Tatsächlich liegt eine minimalistische Anmutung in der formalen Strenge ihrer Arbeiten, insbesondere jener Installationen, in denen sich die Linien einer Wandzeichnung mittels im Raum verspannter roter Gummibänder in die dritte Dimension ausdehnen, nicht unähnlich den Skulpturen von Fred Sandback. Allerdings – und deshalb ist sie eben doch keine Minimalistin geworden – reicht Waldach die Auseinandersetzung mit der reinen Form nicht aus. Die Beschränkung auf eine Farbe und wenige Bildelemente dient ihr vielmehr dazu, die inhaltliche Aufgeladenheit ihrer gegenständlichen Darstellungen zu verstärken. Es gibt in Waldachs Zeichnungen kaum Farbabstufungen, nur Linien und weiße, schwarze oder rote Flächen, Licht und Schatten.

Dass Waldach die Raumbegrenzungen – Boden, Wand und Ecke – als erste nennt, wenn sie ihre Werke charakterisiert, ist bezeichnend. Das Erzielen einer dreidimensionalen Wirkung mit möglichst reduzierten gestalterischen Mitteln beschäftigt die Künstlerin immer wieder. Immateriell und eng begrenzt zugleich, wirken sie weniger von der Außenwelt isoliert als vielmehr so, als gäbe es hinter ihren Wänden keinen anderen Raum, als seien sie eine Welt für sich, aus der es kein Entrinnen gibt. Der Innenraum, der eigentlichSchutz bieten sollte, erfüllt diese Funktion in Waldachs Arbeiten nicht. Die Verunsicherung, die von ihren Räumen ausgeht, spiegelt sich oft auch in der Körperhaltung und Platzierung der Figuren.

Ein weiterer, nicht minder wichtiger Bestandteil ist die Schrift, mit der die Künstlerin seit 2007 arbeitet. Wenn sie die Schriftwolken, wie sie sie nennt, in ihre Bilder einfügt, ist das ein Prozess des automatischen Schreibens, in dessen Verlauf einzelne Wörter, Sätze oder Textpassagen lesbar bleiben, während andere sich bis zur Unkenntlichkeit überlagern. Der Betrachter wird in den Text hineingezogen, gelenkt durch die erkennbare Passagen, aber früher oder später stößt er auf den Punkt, an dem sich der Text entzieht, weil er unkenntlich wird, ähnlich wie sich die Räume der Zeichnungen in der Unendlichkeit verlieren. (…)

Ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch das Werk Brigitte Waldachs zieht, ist das der Inszenierung. In einem Interview erklärt die Künstlerin, sie „untersuche Verhaltensmuster, Diskursstrukturen und Mechanismen zeitgenössischer Kulturproduktion“. Ihr Interesse gilt dem Inszenierten, der Vermischung und Überblendung verschiedener Realitätsebenen, von Fiktion und Wirklichkeit, Erinnerung und Einbildung. Eine zentrale Rolle spielen dabei mediale Bilder, die sich in unser kulturelles Gedächtnis eingebrannt haben.

Die Bandbreite ihrer Referenzen ist groß und schließt die Populärkultur ebenso ein wie die Hochkultur. So gibt es in ihren Werken Bezüge zu den Dramen Shakespeares und Samuel Becketts, zu Texten von Franz Kafka, Edgar Allan Poe, Ingeborg Bachmann und Heiner Müller, aber auch zu philosophisch-theoretischen Schriften wie Ludwig Wittgensteins Tractatus Philosophicus Logicus. Einer ihrer Hauptbezugspunkte ist der Film, insbesondere der Film Noir und der Horrorfilm. So finden sich in ihren Werken neben Referenzen zu Filmklassiker von David Lynch und Quentin Tarantino zum Beispiel Zitate aus Hitchcocks „Die Vögel“ und immer wieder Stanley Kubricks „The Shining“ und in den aktuellen Arbeiten aus Filmen Lars von Triers.

Bezeichnenderweise zeigen die einzigen Bilder, in denen Brigitte Waldach eindeutig einen Außenraum darstellt, Wald bzw. Bäume und Baumgruppen. Das Waldmotiv kommt Waldachs Tendenz zur Abstraktion entgegen und ist gleichzeitig ein vieldeutig aufgeladenes Motiv. Wenn sie etwa die Figur von Gudrun Ensslin, den roten Stern und das Waldmotiv zusammenbringt, steht der Wald einerseits für den Deutschen Herbst, andererseits auch für das ursprünglich romantische und später von den Nationalsozialisten für ihre politischen Zwecke missbrauchte Motiv des Deutschen Waldes – also genau jene Werte, gegen die sich die RAF richtete.

Brigitte Waldach kopiert nicht einfach vorhandene Motive, sondern löst sie wie Versatzstücke aus ihrem ursprünglichen Kontext, verfremdet sie, fügt ihnen ihre eigenen Figuren hinzu. Die verschiedenen Referenzen innerhalb eines Bildes fügen sich neu zusammen.

Dieser Text fasst einige zentrale Punkte des weitaus komplexeren Essays von Lena Nievers über die Arbeit von Brigitte Waldach aus dem Jahr 2010 zusammen

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