BEAT ZODERER
08/05/–16/06/2010

 

Aus Zweck wird Unzweck
Werke von Beat Zoderer

(….) Similia similibus curentur! Gleiches mit gleichem heilen, jedoch nicht in homöopathischen Dosen. Das ist das Abrakadabra von Beat Zoderer, dem Retter aus dem Schlamassel der Bürotristesse. Er schiebt fünf Klarsichthüllen ineinander und schafft so im Nu einen Büro-Rothko. Pappt alle Klebeschildchen neben- und übereinander auf eine Leinwand, fertig ist ein Etiketten-Lohse. Rollt die Wellpappe von der Verpackung der Büchersendung und formt fl ink eine Max- Bill-Schlaufe. Ordnung durch Kunst? Wer hätte das vor Beat Zoderer gedacht? Der Schaumstoff , der von einer Verpakkung übriggeblieben ist? Ergibt eine Säule, mitten im Raum. Die alten Versandröhren und die leeren Klebebandspulen? Werden, vom Künstler angeordnet und im rechten Winkel an die Wand montiert, zu einer Art Setzkasten mit runden Fächern. Wie sollen all die Gummibänder aufbewahrt werden? Na, einfach nach Zoderer-Manier auf einen Zeichenkarton geklebt. Über 500 internationale und nationale Normen und Normenentwürfe regeln derzeit die Büroorganisation und Bürotechnik im Arbeitsalltag. Ein Fundus an DIN-Formaten, RAL-Farben und ISO-Normen für die künstlerische Arbeit. «Was ist das Kennzeichen von Kunst, Herr Zoderer?» – «Sie ist funktionsentleert, befreit vom Zweck.»

Zu seinem grossen Missfallen ist seine Arbeit von der Kritik und den Kennern oft als Zeugnis konkreter Kunst eingeordnet worden, einer Kunstrichtung, die, durch die «Zürcher Schule der Konkreten» mit Max Bill und Paul Lohse, in der Mitte des letzten Jahrhunderts weit über die Schweizer Landesgrenzen hinaus schul- und stilbildend war. «Konkrete Kunst ist in ihrer letzten Konsequenz der reine Ausdruck von harmonischem Mass und Gesetz. Sie ordnet Systeme und gibt mit künstlerischen Mitteln diesen Ordnungen das Leben», schrieb damals Max Bill. Die konkreten Künstler wollten weg vom Gegenständlichen, weg auch vom Abstrakten, das ja noch immer durch die Abstraktion mit jenem ursprünglich verbunden bleibt. Ziel war die geometrische Konstruktion und die Erforschung des reinen Zusammenspiels von Form und Farbe. Doch für diese Art der schulmässigen Einordnung ist Beat Zoderer zu anarchisch, für Epigonentum zu eigenwillig. Ein Übermass an Regeln verhinderte schon, dass er als junger Mann seine Karriere als Architekt weiterverfolgte. Er zog es vor, bildender Künstler zu werden. Seither verwandelt er in Kunst, was er im Alltag vorfi ndet. Ohne das Material zu veredeln oder die Farben zu manipulieren, verarbeitet er Büro-, Bastel-, Handarbeitsund Verpackungsware nebst Überresten aus dem Heimwerkbereich, wie Parkettbohlen oder Pressspanplatten, zu Arrangements, die in den Raum ausgreifen – minimal die Erhebungen der aufgeklebten Wollfäden, maximal die hüfthohen Kugeln aus Blechstreifen oder Gartenschläuchen: serielle Plastiken aus Readymades. (…)

Suzann-Viola Renninger: Aus Zweck wird Unzweck. Werke von Beat Zoderer. In: Schweizer Monatshefte. Zeitschrift für Politik Wirtschaft Kultur. Heft 07/08, Juli/August 2007

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